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Jürg Röthlisberger, Direktor ASTRA: «Ausbau National- strassen, insbesondere Bypass Luzern»

Das Schweizer Strassennetz erstreckte sich im Jahr 2022 über eine Länge von insgesamt 84'675 Kilometern (Vergleich: der Erdumfang beträgt ca. 40'030 Kilometer), davon sind 2’259 Kilometer Autobahnen bzw. Nationalstrassen.

Am Freitag, 24. Mai 2024 durfte unsere Vizepräsidentin, Claudia Häfliger, 36 Teilnehmende anlässlich des Lunchs im Grand Casino Luzern begrüssen.

Referat vom Herrn Jürg Röthlisberger, Direktor Bundesamt für Strassen ASTRA, zum Thema «Ausbau Nationalstrassen, insbesondere Bypass Luzern»

Die Nationalstrassen leisten einen wichtigen Beitrag zur verkehrlichen Erschliessung der Schweiz. Sie entlasten das nachgelagerte Strassennetz der Kantone, Städte und Gemeinden und schaffen damit Raum, um den öffentlichen Verkehr und den Veloverkehr zu ermöglichen und die Verkehrssicherheit zu verbessern.

Der Verkehr auf dem Nationalstrassennetz hat sich in den letzten 60 Jahren mehr als verfünffacht. 2022 wurden auf den Nationalstrassen 39'863 Staustunden registriert, 85% aller Staustunden waren auf Überlastung zurückzuführen. Laut den Verkehrsprognosen des Bundes werden bis 2040 rund 453 Kilometer, etwa 20 Prozent des schweizerischen Nationalstrassennetzes, regelmässig überlastet sein, falls keine Gegenmassnahmen getroffen werden. Auf fast 170 Kilometern wird es täglich während zwei bis vier Stunden Staus oder stockenden Verkehr geben. Die grossen Städte und Agglomerationen sind von den Engpässen am stärksten betroffen.

Primär wird den drohenden Kapazitätsengpässen mit einer effizienteren Nutzung der bestehenden Infrastruktur begegnet. Dazu gehören neben gesamtverkehrlichen Optimierungen insbesondere die Realisierung von zusätzlichen Geschwindigkeitsharmonisierungs- und Gefahrenwarnanlagen, Tropfenzählersysteme an den Anschlüssen und lokale Pannenstreifenumnutzungen. Mit der Revision des Strassenverkehrsgesetzes werden die Potenziale des automatisierten Fahrens zügig erschlossen.

Trotz dieser Massnahmen sind auf den am stärksten belasteten Abschnitten gezielte Kapazitätserweiterungen notwendig, um die Funktionsfähigkeit des Nationalstrassennetzes aufrecht zu erhalten. Zu diesem Zweck hat der Bundesrat das Strategische Entwicklungsprogramm Nationalstrassen (STEP Nationalstrassen) entwickelt. Es wird laufend fortgeschrieben und in der Regel alle vier Jahre dem Parlament vorgelegt. Die verkehrliche und volkswirtschaftliche Bedeutung des Nationalstrassennetzes ist hoch: 2019 wurden rund 40 Prozent der Fahrleistung des gesamten privaten Strassenverkehrs und rund 74 Prozent des strassenseitigen Güterverkehrs auf den Nationalstrassen abgewickelt, obschon die Nationalstrassen lediglich knapp 3 Prozent der Länge des gesamten Strassennetzes ausmachen.

Engpässe auf dem Nationalstrassennetz führen zu einer Rückverlagerung des motorisierten Strassenverkehrs auf die Kantons- und Gemeindestrassen. Dieser Verdrängungseffekt führt zu mehr Durchgangsverkehr in den Städten und Dörfern und hat negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, die Bevölkerung, den öffentlichen Verkehr sowie den Fuss- und Veloverkehr.

Wie will das ASTRA diesen Herausforderungen in Zukunft begegnen?

Intelligente Mobilität
Die fortschreitende Digitalisierung prägt die Mobilität schon heute und wird künftig eine noch grössere Rolle spielen. Das ASTRA will die Potenziale der intelligenten Mobilität zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Verbesserung des Verkehrsflusses für den Schweizer Strassenverkehr erschliessen. Dieses Jahr konnten wir einen wichtigen Schritt hin zu einem intelligenteren Strassenverkehr machen: Seit Frühling 2023 hat die Schweiz eines der modernsten Strassenverkehrsgesetze der Welt. Das Parlament hat die rechtlichen Grundlagen für das automatisierte Fahren geschaffen. Die Verordnung soll per März 2025 in Kraft treten.

Stromversorgung / erneuerbare Energie
Der Betrieb der Nationalstrassen benötigt rund 157 GWh Strom pro Jahr. Der Strom stammt zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen (Wasserstrom & Photovoltaik). Die grössten Stromverbraucher sind dabei die Tunnel (82 Prozent). Das ASTRA nutzt zur Stromgewinnung das Potenzial von Photovoltaikanlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energie auf seinen Gebäuden und Flächen. Bereits seit vielen Jahren werden Photovoltaikanlagen entlang der Nationalstrassen zur Stromversorgung für den Eigenverbrauch, beispielsweise für Tunnelbeleuchtung oder Autobahnwerkhöfe benutzt. 2022 produzierte das ASTRA erst etwas mehr als 1 GWh Strom. Bis 2035 will das ASTRA 47 GWh für den Eigenbedarf produzieren. Die Flächen, die das ASTRA nicht für eigene Photovoltaikanlagen nutzen wird, werden aktiv Dritten zur Verfügung gestellt. Damit will das ASTRA neue Anlagen, insbesondere auf Lärmschutzwänden und Rastplätzen, fördern.

Dekarbonisierung des Strassenverkehrs
Reine Elektroautos waren 2022 fast 110 800 immatrikuliert, was einem Anteil an den Personenwagen von 2,3 Prozent entsprach (Gesamtbestand der Motorfahrzeuge belief sich 2022 auf knapp 6,4 Millionen). Der Strassenverkehr soll und muss weiter dekarbonisiert werden. In der Zukunft fahren wir elektrisch und lokal CO2- frei. Das braucht einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur. Deshalb fördert das ASTRA den Bau von Schnellladestationen entlang der Nationalstrassen. 100 Nationalstrassenrastplätze und 50 Raststätten sollen mit Schnelladestationen ausgerüstet werden. Im Perimeter der Nationalstrassen stellen wir künftig auch Flächen für Schnellladehubs zur Verfügung, beispielsweise im Bereich von Autobahnanschlüssen.

Entflechtung des Verkehrs
Am 1. Januar 2023 trat das Veloweggesetz in Kraft. Bund, Kantone und Gemeinden sind nun verpflichtet, ein Velowegnetz zu planen und umzusetzen. Die Velowege haben zum Ziel, den Verkehr zu entflechten und mehr Sicherheit für die Verkehrsteilnehmenden zu schaffen. Durch eine gewisse Verlagerung aufs Velo sollen Strasse und Schiene entlastet werden.

Finanzierung
Die Ausgaben für die Nationalstrassen umfassen Betrieb, Unterhalt, technischen Ausbau des bestehenden Netzes, Engpassbeseitigungen, Kapazitätserweiterungen und grössere Vorhaben sowie die Netzfertigstellung. Alle diese Aufwendungen werden aus dem per 1. Januar 2018 in Kraft gesetzten NAF (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds) bezahlt. Das Parlament beschliesst jährlich die Fondsentnahme, welche nicht der Schuldenbremse unterliegt. Werden die bewilligten Mittel nicht ausgeschöpft, verbleibt der Saldo im Fonds. Dadurch erhöht sich die Liquidität, und die Mittel stehen für spätere Entnahmen zur Verfügung. Die Einlagen in den NAF setzen sich wie folgt zusammen:

  • 100 Prozent des Mineralölsteuerzuschlags
  • 100 Prozent der Autobahnvignette
  • 100 Prozent der Automobilsteuer
  • In der Regel 10 Prozent der Mineralölsteuer
  • 100 Prozent der geplanten Abgabe auf Elektrofahrzeuge (Einführungszeitpunkt offen)
  • Kompensationsbeitrag der Kantone wegen der Übertragung von Kantonsstrassen an den Bund im Rahmen des Neuen Netzbeschlusses NEB.

Gesamtsystem Bypass Luzern
Vor Luzern treffen bei der Verzweigung Rotsee die Verkehrsströme der nationalen Nord-Süd-Achse A2 sowie der A14 von Zürich–Zug zusammen. Diese überlagern sich auf der Stadtdurchfahrt mit dem regionalen und lokalen Ziel- und Quellverkehr. Die dadurch verursachte Verkehrsbelastung führt seit einiger Zeit zu Überlastungen. Die Folgen sind zunehmende Verkehrsbehinderungen auf der A2, der A14 und auf dem lokalen Strassennetz. Ohne Bypass als zusätzliche Verkehrsachse würde der Ausweichverkehr auf das untergeordnete Strassennetz zunehmen und insbesondere auch den öffentlichen Verkehr behindern.

Nationale und Regionale Ziele des Gesamtsystems Bypass Luzern

  • Beseitigung des Engpasses auf der Autobahn A2/A14 im Grossraum Luzern und damit Sicherstellung der Funktionalität (Durchgangsverkehr)
  • Netzredundanz im Ereignisfall und im geplanten Unterhaltsfall der Tunnelsysteme im Raum Luzern
  • Sicherstellung der Funktionalität der Anschlüsse an die Nationalstrasse

Regionale / Lokale Ziele des Gesamtsystems Bypass Luzern

  • Verbesserung der Erreichbarkeit der Agglomeration Luzern
    für motorisierten Individualverkehr und strassengebundener ÖV (Ziel-/Quellverkehr)
  • Entlastung untergeordnetes Netz und damit Verbesserungsmöglichkeit
    für den ÖV

Die erforderliche Leistungsfähigkeit wird durch zusätzliche Fahrspuren erreicht. Der Bypass Luzern beinhaltet als Kernelement zwei zweistreifige Tunnel, welche die Stadt Luzern und die Reuss unterqueren. Die Tunnellänge beträgt je rund 3.5 Kilometer. Die Anschlussbauwerke liegen im Norden im Bereich Ibach (der Abschnitt der A14 ab der Verzweigung Rotsee bis Anschluss Buchrain mit je einer zusätzlichen Spur auf sechs Fahrstreifen ausgebaut. Deshalb wird der Tunnel Rathausen mit einer dritten Röhre erweitert und die Bauwerke werden an der Verzweigung Rotsee angepasst) und im Süden im Bereich Grosshof Kriens. Damit kann der internationale und nationale Transitverkehr getrennt an der Stadt Luzern vorbeigeführt werden. Die heutige A2 zwischen der Verzweigung Rotsee und dem Autobahnanschluss Luzern–Kriens (Sonnenbergtunnel) wird so für den lokalen Verkehr zur Verfügung stehen und zu einer Stadtautobahn umfunktioniert. Dies wird die Strassen in der Stadt und der Agglomeration entlasten. Im Ereignisfall dient die Stadtautobahn als Ausweichroute zum Bypass und umgekehrt.

Während der Bauphase sind umfassende flankierende Massnahmen geplant. Im Begleit-Gremium sind alle relevanten Agglomerationsgemeinden, Pro Velo, vvl, vbl, Postauto AG und Auto AG Rothenburg vertreten. Es wurde ein Gefäss «Baustellenkoordination auf Kantonsstrassen» unter der Leitung des Kantons Luzern (vif) eingerichtet, die Plangenehmigungsverfügung für das Projekt wurde im Februar 2024 vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) erteilt. Die Kosten des Projekts, welche sich auf ca. 1.8 Milliarden CHF belaufen, werden vollumfänglich vom Bund getragen.

Aufgrund bereits medial angekündigter Beschwerden gegen das Gesamtsystem Bypass Luzern seitens des VCS/WWF, der Stadt Kriens, Stadt Luzern, Gemeinde Emmen und 2 Privaten rechnet das ASTRA mit einer Verzögerung des Baubeginns von mindestens 2 Jahren; frühstmögliche Inbetriebnahme des Bypasses ist per Ende 2041 geplant

Im Anschluss an das spannende Referat von Herrn Jürg Röthlisberger und einer Fragerunde genossen die Teilnehmenden einen feinen Lunch und angeregte Gespräche im Restaurant Olivo.

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