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Thomas Bergen, Mitgründer & CEO von getAbstract AG zum Thema "KI: Nutzen, Tipps und Tricks für KMU’s"

In einer Zeit, in der alles von irgendetwas abhängt, ist es schwierig, ohne Technologie auszukommen. Technologie ist zu einem entscheidenden Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden. Wir alle nutzen Technologie für Produktivität und Kommunikation.

Am Freitag, dem 27. September 2024, konnte unsere Vizepräsidentin, Claudia Häfliger, unsere teilnehmenden Mitglieder und die beiden Neumitglieder Beat Brunner und Nico Staub beim Apéro auf der Seeseite des Grand Casinos Luzern willkommen heißen.

Thomas Bergen, Mitgründer und CEO von getAbstract AG begeisterte mit seinem Referat zum Thema «KI: Nutzen, Tipps und Tricks für KMU’s» die 28 teilnehmenden IFU-Mitglieder.

In einer Zeit, in der alles von irgendetwas abhängt, ist es schwierig, ohne Technologie auszukommen. Technologie ist zu einem entscheidenden Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden. Wir alle nutzen Technologie für Produktivität und Kommunikation. Dabei ist die Künstliche Intelligenz (KI) der Überbegriff für Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen.

Wie verändert sich unser Alltag im Beruf, in der Gesellschaft und in der Familie mit Künstlicher Intelligenz (KI)?
Man kann es sich gar nicht vorstellen wie es ist, wenn man sich nicht mehr sicher ist, ob die Stimme am anderen Ende des Telefons ein Mensch ist oder eine Maschine. «Wie viele Mitarbeitende können Sie mit dem Einsatz von KI ersetzen, wenn dies so wäre, dass man nicht mehr sagen kann, ob ein Mensch oder eine Maschine mit einem spricht?» fragt Thomas Bergen die Teilnehmenden. Und an die Treuhänder gerichtet: «Was bedeutet es für Ihr Businessmodell, wenn man nicht mehr unterscheiden kann, ob ein Mensch die Bücher geprüft hat oder eine Maschine?» Alle, die in ihrem Unternehmen einen Telefonservice haben oder einen Kundendienst: «Was denken Sie, was spätestens in 5 Jahren unter dem Margendruck mit diesen Mitarbeitenden passiert?»

Im November 2023 wurde Sam Altman überraschend als CEO von OpenKI entlassen, um nur wenige Tage später wieder im Amt bestätigt zu werden. Warum dies passiert ist? Medienberichten zufolge führte ein Richtungsstreit bei OpenKI zu Altmans Abgang. Einige Führungskräfte seien der Ansicht gewesen, dass Altman die Software mit Künstlicher Intelligenz zu schnell und mit einem zu kommerziellen Ansatz auf den Markt bringen wollte, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Und genau diese Konsequenzen werden uns zeitlebens beschäftigen – jeden von uns, jeden Unternehmer, egal ob er Bäcker ist, Hotelier, Treuhänder, Banker, etc.

Thomas Bergen hat selber immer gedacht, dass die Taxifahrer die ersten sein werden, die darunter leiden, wenn die technische Revolution wirklich kommt. Im Dezember 2022, einen Monat nachdem ChatGPT lanciert wurde, hat ChatGPT bereits im 2. Anlauf das «bar exam» (Prüfung zum Erlangen des Anwaltspatents) in New York bestanden. Jeder Anwalt weiss, was dies bedeutet: es bedarf einer grossen Vorbereitung für einen erfolgreichen Abschluss dieser Prüfung. In der Zwischenzeit besteht ChatGPT in allen Bundesstaaten das «bar exam» immer als Beste.

Wir haben das Privileg und gleichzeitig die grosse Herausforderung, dass wir als Menschen eine technische Revolution erleben, auf die wir eigentlich weder emotional, gesellschaftlich noch strukturell vorbereitet sind.

In welchem Bereich haben Sie in den letzten Monaten das grösste Potential von Artificial Intelligence (KI) in der Arbeitswelt gesehen?
Alle Grossfirmen, sei es Novartis, Siemens, etc. füttern KI-Systeme hinter einer Firewall, meistens von Microsoft Copilot unterstützt, im grossen Stil mit internen Daten ihrer Arbeitsabläufe. Bei einer Schweizer Bank sind dies ca. 300'000 Dokumente, welche eingegeben und somit die Algorithmen optimiert werden. Dies geschieht mit einem einzigen Ziel: die Arbeit bzw. die Prozesse effizienter zu machen. Wie sieht das in der Praxis aus? Ein Kunde kommt mit CHF 5'000.00 zum Bahnhofplatz und sagt: «Ich möchte ein Konto eröffnen» - spätestens in einem Jahr wird die KI fähig sein, alle Prozesse der Kontoeröffnung selbständig zu erledigen. Es wird eine extrem grosse Produktivitätserhöhung geben in der Arbeitswelt in diesen oder ähnlichen Prozessen. Auf diese Entwicklung und deren Verarbeitung sind wir als Gesellschaft aus Sicht von Thomas Bergen nicht vorbereitet.
 

Mut zur Veränderung ist gefragt
Wo Papier die Grundlage war und stets dazu benutzt wurde, um Mitarbeitende auszubilden, sei das in Banken, Versicherungen, Anwaltskanzleien, Treuhandbüros, etc. und das Wissen bzw. die Arbeitsprozesse gut festgehalten bzw. schriftlich dokumentiert worden ist, da müsse sehr schnell KI eingesetzt werden, damit diese Unternehmen künftig überhaupt noch marktfähig seien. Thomas Bergen geht davon aus, dass dieser Prozess nicht noch 10 bis 20 Jahre dauern wird.

Während die Nutzung von KI zu erheblicher Produktivitätssteigerung führen kann, stehen Unternehmen vor der Herausforderung, mit diesen schnellen Entwicklungen Schritt zu halten. Thomas Bergen betont, dass es entscheidend ist, dass Unternehmen beginnen, KI zu integrieren und offen für Veränderungen sind. Man müsse nicht gleich «all-in» gehen, denn es würden in der Schweiz auf politischer Ebene ganz sicher noch gesetzliche Hindernisse geschaffen, um den Vormarsch von KI zu stoppen oder einzuschränken. Andere Staaten werden diesbezüglich jedoch keine Einschränkungen machen und damit einen grossen Produktivitätszuwachs erzielen. Das würden wir in der Schweiz sicher zu spüren bekommen. Es ist für die Schweiz und deren Wirtschaft wichtig, eine Balance zu finden, was im Umgang und dem Einsatz von KI geht und was nicht. Thomas Bergen nimmt an, dass dieser politische Prozess nächstens gestartet wird. Nichts desto trotz, sein Aufruf an die Teilnehmenden ist klar: beschäftigt euch mit KI, setzt sie in eurem Unternehmen und im Privatleben ein.

Bevor wir auf die ethischen Aspekte und Risiken in der Anwendung künstlicher Intelligenz zu sprechen kommen, ist es wichtig, den Unterschied zwischen Artificial Intelligence (KI) und Artificial General Intelligence (AGI) zu kennen:
KI-Systeme, die wir heute verwenden, erfordern eine umfangreiche Schulung, bevor sie verwandte Aufgaben innerhalb derselben Domain bewältigen können. Beispielsweise müssen Sie ein vortrainiertes großes Sprachmodell (LLM) mit medizinischen Datensätzen optimieren, bevor es konsistent als medizinischer Chatbot eingesetzt werden kann.
KI-Zusammenfasser verwenden beispielsweise Modelle für Machine Learning (ML), um wichtige Punkte aus Dokumenten zu extrahieren und eine verständliche Zusammenfassung zu erstellen. KI ist somit eine Informatikdisziplin, die es Software ermöglicht, neuartige und schwierige Aufgaben mit Leistung auf menschlichem Niveau zu lösen.

Im Gegensatz dazu kann ein AGI-System Probleme in verschiedenen Bereichen lösen, wie ein Mensch, ohne manuelles Eingreifen. Anstatt auf einen bestimmten Umfang beschränkt zu sein, kann AGI sich selbst beibringen Probleme zu lösen, für die es nie trainiert wurde. AGI ist somit eine theoretische Darstellung einer vollständigen künstlichen Intelligenz, die komplexe Aufgaben mit generalisierten menschlichen kognitiven Fähigkeiten löst.

Ethische Aspekte und Risiken in der Anwendung von KI
Der ethische Aspekt ist insofern hoch relevant, wenn wir von Artificial General Intelligence (AGI) sprechen. AGI ist per Definition die Intelligenz eines hypothetischen Computerprogramms, welches die Fähigkeit besitzt, jede intellektuelle Aufgabe zu verstehen oder zu lernen, die ein Mensch ausführen kann. Eine alternative Definition bezeichnet AGI als hochautonomes KI-System, welches bei der Lösung der meisten wirtschaftlich bedeutenden intellektuellen Aufgaben menschliche Fähigkeiten übertrifft.

Laut Thomas Bergen werden wir in 5-10 Jahren so weit sein, dass wir nicht nur nicht mehr unterschieden können werden, ob wir mit einer Maschine sprechen oder nicht, sondern dass jede Fragestellung von der KI deutlich besser beantwortet wird als die Menschheit dies in ihrer Gesamtheit könnte. Dabei ist es uns heute noch nicht einmal bewusst was es bedeutet, wenn wir einmal nicht mehr die Intelligentesten sind. Bevor wir in diese Dimension von künstlicher Intelligenz vordringen, werden wir zwingend zuerst ethisch beantworten müssen, wie wir mit dieser künstlichen Intelligenz umgehen und ob wir dies überhaupt zulassen wollen.

Dass der ungebremste Fortschritt auf dem Gebiet der KI nicht nur Wachstumsmotor in der modernen Wirtschaft sein kann, sondern z.B. auch die Entwicklung und den Einsatz von Lethal Autonomous Weapons (Waffen, die einmal aktiviert, selbständig und ohne weitere menschliche Kontrolle Daten analysieren und operieren, d.h. Ziele auswählen und angreifen) möglich machen, ist besorgniserregend und bedürfen dringend internationaler Regulierung. Im Vergleich zu solchen Systemen sind Atombomben ein verhältnismässig sanftes Mittel zur Lösung von geopolitischen Problemen.

Wie sollten die Ausbildungen von Mitarbeitenden und Führungskräften angepasst werden?
Dies ist ein Thema, auf welches Thomas Bergen sehr gerne zu sprechen kommt. Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden und Führungskräfte auf den Einsatz von KI vorbereiten. Dabei geht es nicht nur um den Erwerb von technischen Fähigkeiten wie z.B. die Programmierung oder das Aufsetzen eines Prompts, sondern auch um die Analyse von Schnittstellen zwischen KI und menschlicher Interaktion. Beispielsweise muss analysiert werden, wie Mitarbeiterführung und strategische Entscheidungsprozesse durch den Einsatz von KI verändert werden.

Opportunitäten für Unternehmen
Fast jedes Unternehmen verfügt intern über enorm wertvolle Daten. Die grosse Herausforderung ist nicht mehr die Generierung von KI-Modellen (das geht heutzutage bereits sehr effizient), sondern um deren Inhalte. Die 300'000 Dokumente der Schweizer Bank, über welche Thomas Bergen anfangs gesprochen hat, welche sie zum «füttern» der KI braucht; dieses Prozesswissen und Inhalte in höchster geprüfter Qualität, können der Bank helfen, einen enormen strategischen Vorteil in diesem Markt zu erlangen. Im Gegensatz dazu werden Unternehmen, die ihr Prozesswissen nicht gut aufbereitet und klar strukturiert haben, Schwierigkeiten haben, die KI-Algorithmen präzise zu programmieren. Um diesen enormen kompetitiven Vorteil auf dem Markt nicht zu verlieren, sollten alle Unternehmen, welche ihre Daten sauber aufgearbeitet haben, dieses Prozesswissen und die Kundendaten als ersten Schritt hinter Firewalls sichern. Denn Daten, die einmal aus dem sicheren internen Bereich hinaus ins Web gelangen und dort von einer KI abgegriffen oder zum Programmieren heruntergeladen und benutzt werden, sind unwiederbringlich verloren und damit auch der Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz.

Wie beeinflusst KI das Geschäftsmodell von getAbstract AG?
Das Aufkommen und der Einsatz von KI war und ist für getAbstract AG laut Thomas Bergen eine extreme Herausforderung und gleichzeitig auch eine extreme Opportunität. Nie seien für ihn Licht und Schatten so nahe beieinander gewesen. 2022 hat Thomas Bergen im Weihnachtsbrief an seine Mitarbeitenden geschrieben, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleiben werde, dass alle Prozesse analysiert werden müssen, ob und wie diese mit KI effizienter gemacht werden können.

getAbstract AG hat das ursprüngliche Geschäftsfeld mit den Buchzusammenfassungen aber schon seit einigen Jahren verlassen. Thomas Bergen sagt, er liebe ein Buch nicht, weil es ein Buch ist. Für ihn sei ein Buch die Hoffnung, dass er das im Buch durch einen Experten gesammelte Wissen für die Lösung seines Problems heranziehen und benutzen könne und dadurch sein Leben besser wird. Dies sei schon immer der Grundgedanke von getAbstract gewesen – sie hätten das Gefühl gehabt, dass es für fast alle Herausforderungen im Leben in der Gesellschaft, im Unternehmen und im privaten Bereich relevantes Wissen gibt, welches grösstenteils in Büchern und heutzutage auch im Netz als Artikel oder Podcasts verfügbar ist. Das Ziel von getAbstract AG war und ist es, dass dieses Wissen effizient aufgenommen werden kann, dass man lernen kann. Durch das Aufkommen von KI hat sich an dieser Grundidee eigentlich nichts verändert. Sie haben einen fast einjährigen Strategieprozess gemacht und sich dabei gefragt: braucht es das überhaupt noch, was wir machen? Die Antwort war eindeutig ja, es braucht es und es ist heute sogar noch viel wichtiger, denn «trusted knowledge» (verifiziertes Wissen, auf welches man sich verlassen kann) wird immer relevanter. Denn was KI auch heute noch nicht kann, ist die Verifikation der Daten, bzw. des Inhalts der durch das System erstellten Zusammenfassung von Information.

Im Jahr 2024 erklärte das Weltwirtschaftsforum Fehlinformationen und Desinformationen zur größten kurzfristigen Bedrohung der Menschheit: bei vielem was wir heute sehen oder lesen können wir nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob dies nun wahres Expertenwissen ist oder nicht. Es braucht also dringend trusted knowledge. getAbstract hat sich mit seiner 25-jährigen Erfahrung ein Netzwerk mit über 2'500 Experten aufgebaut, welche ihnen auch mit dem neugegründeten Unternehmen «Verify» helfen, kostenlose Online-Inhalte zu kuratieren und zu verifizieren. Diese Experten sind maßgeblich daran beteiligt, die Genauigkeit und Qualität der von getAbstract angebotenen Inhalte zu gewährleisten. Somit gibt es viele neue Opportunitäten für das Team von getAbstract, wie z.B. die Implementierung einer eigenen KI in Microsoft Teams, welche für Abfragen in ihrer eigenen Abstracts-Datenbank genutzt werden kann. Da die Abstracts bereits von Experten kuratiert und verifiziert wurden, gelten die Outputs der eigenen KI als trusted knowledge. Die Prompts können in allen Sprachen eingegeben werden – jedes Abstract wird im Hintergrund in die entsprechende Sprache übersetzt.

Die Limiten, welche unsere erlernte Sprachkompetenz uns in der Kommunikation mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen bislang gesetzt hat, werden mit der Weiterentwicklung der KI und AGI nicht mehr bestehen. Wenn Gespräche mittels KI Voice über Computer-Brillen, Kameras und Earpods der Gesprächspartner simultan übersetzt werden und das ganze System auch noch die kulturellen Aspekte der Sprache miteinbezieht, dann bestehen keine Grenzen mehr für die Kommunikation mit allen Menschen in ihrer Muttersprache.

Anerkennend, dass Künstliche Intelligenz bei unachtsamer Einsetzung durchaus negative Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und sogar den Weltfrieden haben kann, hat diese Technologie das Potenzial verschiedene Branchen zu transformieren und unsere Leben in vielerlei Hinsicht zu verbessern.

Im Anschluss an das spannende Referat von Thomas Bergen und einer Fragerunde genossen die Teilnehmenden einen feinen Lunch und angeregte Gespräche im Restaurant Olivo.

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